Eine Baustelle mit Modellcharakter
© Basler & Hofmann AG
Durch «Building Information Modeling» eröffnen sich im Bauwesen neue Möglichkeiten. Das ASTRA setzt die digitale Arbeitsmethode in Pilotprojekten ein. In St.Gallen wird das Verfahren bei einem neuen Sicherheitsstollen des Tunnels Schoren angewendet.
Building Innovation Modellig (BIM) beschreibt eine Methode zur vernetzen Planung und Realisierung von Bauten. Mit sogenannten «digitalen Zwillingen» auf Tablets oder am PC werden Bauwerke anhand von 3D-Modellen abgebildet. Die Bauteile im digitalen Modell werden zusätzlich mit fachspezifischen Daten hinterlegt, womit ein ganzheitliches Bild entsteht. Einer der grössten Vorteile besteht darin, dass die Zusammenarbeit unter den Projektbeteiligten umfassender erfolgt und gleichzeitig vereinfacht wird. Dies betrifft sowohl die Planung als auch die Umsetzung von Bauwerken.
Bei Infrastrukturprojekten im Tiefbau gibt es bei BIM besondere Herausforderungen: Zum Strassenraum gehören nebst Strassen, Brücken, Tunnel oder Galerien auch zahlreiche technischen Anlagen für Betrieb und Sicherheit. Im Boden verlaufen vielerorts Werkleitungen. Mehrere Fachrichtungen von verschiedenen Unternehmen und Behörden sind beteiligt. Damit BIM eingesetzt werden kann, muss zuerst eine gemeinsame Datenbasis aufgebaut werden, die mit allen Systemen verknüpft werden kann. Auch die Arbeitsprozesse der Projektbeteiligten müssen analysiert werden.
Potenziale identifizieren
Es sind solche Herausforderungen, vor die das ASTRA zur Umsetzung seiner BIM-Strategie gestellt ist: Seit 2016 wird geprüft, welche Möglichkeiten die Methode für den Bau, die Verwaltung und den Betrieb der Nationalstrasseninfrastruktur bietet. 2019 wurde das Programm BIM@ASTRA ins Leben gerufen. Die Strategie des ASTRA unterstützt dabei die mit BIM verbundenen Ziele des Aktionsplans Digitale Schweiz und des IKT-Masterplans 2020 des Bundesrats.
Um Erkenntnisse zum Umgang mit der BIM-Methode zu machen, führt das ASTRA Pilotprojekte durch. Die technischen und organisatorischen Grundlagen sind noch in der Entwicklung, nach und nach sollen aber robuste und zukunftsfähige Aspekte des BIM in Projekte integriert werden.
Damit BIM seine volle Wirkung entfalten kann, muss der digitale Prozess ohne Unterbruch möglich sein. Dies betrifft nebst den Planungs- und Bauarbeiten auch die Submission: Das ASTRA plant und baut nicht selbst vor Ort, sondern schreibt entsprechende Aufträge öffentlich an Unternehmen aus. Die Vergabe ist ein wichtiger Meilenstein im Projektprozess. Für eine ganzheitliche Anwendung von BIM muss auch dieser Prozessschritt in der «digitalen Kette» vorhanden sein.
Schweizweite Premiere in St.Gallen
In St.Gallen hat das ASTRA dazu einen Pilotversuch gestartet und zum ersten Mal eine Submission ab einem digitalen Modell durchgeführt. Sie betrifft den Bau einer Querverbindung beim Tunnel Schoren. Die neue Querverbindung 8 (QV8) zwischen den Tunnelröhren erhöht als zusätzlicher Fluchtweg die Sicherheit. Es handelt sich um ein in sich geschlossenes Teilprojekt im Rahmen der Sanierung der Stadtautobahn St.Gallen. Dies ist auch der Grund, warum sich die QV8 gut als Testobjekt eignet. Die Baustelle ist örtlich begrenzt und es bestehen wenig Schnittstellen zum Gesamtprojekt.
Auf der Submissionsplattform sind die Bauteile im Modell der QV8 ersichtlich (© Basler & Hofmann AG).
Bei der QV8 wurde das Ziel verfolgt, 80 Prozent der Leistungen ab einer Modelldatenbank auszuschreiben und zu vergeben. Dafür wurde vom Planungsteam eine Plattform entwickelt, auf der Unternehmen anhand des 3D-Modells die Bauteile einsehen und Angebote abgeben konnten. Die zu erbringenden Leistungen wurden ebenfalls direkt mit der Datenbank verknüpft. Waren alle Preise für die Bauteile hinterlegt, konnte der Unternehmer sein Angebot erstellen.
Nach erfolgreicher Vergabe der Bauleistungen kommt BIM nun auf der Baustelle in St.Gallen zum Einsatz: Seit Februar 2021 wird beim Tunnel Schoren die QV8 gebaut. Der Baufortschritt kann direkt auf dem Tablet verfolgt werden, da er im 3D-Modell dokumentiert wird. Der Praxistest zeigt, dass die Lücke zwischen digitaler Planung und digitaler Ausführung geschlossen werden kann.
Ein Gewinn ist das nicht nur für das ASTRA als Bauherrin, sondern für alle Projektbeteiligte. Der durchgehende Datenfluss verhindert, dass Informationen verloren gehen, und schafft mehr Transparenz. Die Erfahrungen in St.Gallen tragen dazu bei, dass sich BIM im Infrastrukturbereich weiter etabliert und die Vorteile für alle nutzbar gemacht werden können.
Eindrücke von der Baustelle im April 2021: Im Frühjahr wurden die Arbeiten für die Querverbindung 8 beim Tunnel Schoren aufgenommen.
Die Art des Zugangs über einen Erschliessungsschacht bildet eine ausgezeichnete Gelegenheit für ein 3D-Modell. Interessant wird v.a. sein, mehr über die Erfassung der Anschlüsse an die Bestandstunnel und die Integration der BSA zu erfahren.
Eine bodenmechanische Bemessung mittels FEM dürfte vermutlich nicht angekoppelt sein; allein schon die Abschätzung der Spannungen in den aufzubrechenden Tunnellaibungen erfordert doch einige Überlegungen, wie wir bei den SiStos an der Brienzersee-Strasse (N8) feststellten.
Dr. J.-Martin Hohberg
Senior Consultant IUB ENGINEERING AG
IABSE TG 5.6 BIM in Infrastructure Management