Wozu werden Sicherheitsstollen gebaut?
Das schweizerische Nationalstrassennetz umfasst gemäss ASTRA rund 220 Tunnel. Sie machen beinahe ebenso viele Kilometer aus, für die bezüglich der Sicherheit besondere Anforderungen gelten. Sichere Fluchtwege können durch Sicherheitsstollen gewährleistet werden. Doch nicht jeder Tunnel benötigt eine separate Röhre zur Selbstrettung.
Die letzten Felsbrocken fallen zu Boden und die Tunnelbohrmaschine hat ihre Arbeit getan: Am 28. September 2022 wurde der Durchstich des neuen Sicherheitsstollens des Kerenzerbergtunnels gefeiert. Im parallel verlaufenden Tunnel sind nach seiner Fertigstellung 2024 ein Fluchtweg sowie ein Abluftkanal untergebracht. In einem Ereignisfall im Kerenzerbergtunnel bietet er zukünftig einen sicheren Rettungsweg.
Die Sicherheitsanforderungen in Tunneln wurden seit der schweren Brand-Katastrophe im Gotthard-Strassentunnel am 24. Oktober 2001 verschärft. Alle Tunnelanlagen ab einer Länge von 600 Metern wurden seither überprüft. Um die Sicherheit in Nationalstrassentunnel zu gewährleisten resp. zu erhöhen, investiert das ASTRA bis 2025 rund 1,6 Mrd. Schweizer Franken.
Die Kosten decken Anpassungen an Signalisationen sowie Leiteinrichtungen, neue Lüftungsanlagen oder bauliche Massnahmen wie einen Sicherheitsstollen ab. In zahlreichen Schweizer Tunneln konnten bereits solche Anpassungen an den Lüftungssystemen oder den Signalisationen umgesetzt werden. Der Bau von Sicherheitsstollen stellt dabei eine vergleichsweise grosse Investition dar. Sie benötigt mehr Zeit für die Planungs- und Bauphase. Aktuell realisiert das ASTRA schweizweit fünf neue Sicherheitstollen: für den Cholfirsttunnel in Schaffhausen, für den Kerenzerbergtunnel im Kanton Glarus, für den Tunnel Gei in Mesocco, den Leissigentunnel auf der A8 sowie für den Tunnel Isla Bella bei Rothenbrunnen. Für zwei weitere Sicherheitstollen auf dem Abschnitt zwischen Tavannes und Biel-Bözingenfeld starten die Arbeiten im Sommer dieses Jahres.
Wann ist ein Sicherheitsstollen notwendig?
Im Falle eines Ereignisses, beispielsweise bei einem Tunnelbrand, weisen die grün markierten Nischen auf den nächstgelegenen Fluchtweg hin. Tief im Erdinnern ist es nicht möglich, jeden dieser Fluchtwege an die Oberfläche zu führen. Hier kommen Sicherheitsstollen ins Spiel: Sie sind mit den Notausgängen im Strassentunnel verbunden und führen die Flüchtenden ins Freie.
Nicht jeder Tunnel benötigt jedoch einen Sicherheitsstollen. Bei Tunneln mit zwei Röhren besteht die Möglichkeit, über Querverbindungen in die Nachbarsröhre zu flüchten. Diese erfüllen aufgrund ihrer Bauweise die Sicherheitsanforderungen. Bei einem Brand wird die vom Ereignis nicht betroffene Röhre gesperrt und dient als Flucht- und Rettungsweg.
Wie sind Sicherheitsstollen aufgebaut?
Sicherheitsstollen werden üblicherweise parallel zur bestehenden Anlage gebaut. Sie sind durch Querverbindungen mit dem Fahrraum verbunden. Die Querverbindungen gegen den Fahrraum sind dabei mit Notausgangstüren sowie einer Zwischentür abgeschlossen. An seinen Enden gibt es Ausgänge ins Freie.
Im Falle eines Brandes sorgt der Überdruck in den Sicherheitsstollen dafür, dass kein Rauch aus dem Fahrraum eindringen kann. Der Stollen sowie die Querverbindungen blieben demnach auch bei offenen Fluchttüren rauchfrei.
Sicherheitsstollen sind so einzigartig wie die Tunnel selbst. Sie unterscheiden sich in der Länge, der Lage oder im Aufbau. Während der neue Sicherheitsstollen für den Tunnel Crapteig, der im vergangenen Jahr fertiggestellt wurde, mit acht Querverbindungen mit dem Fahrraum verbunden ist, sind es beispielsweise sechs beim Cholfirsttunnel. Auch die Vortriebsmethoden beim Bau sind sehr unterschiedlich. Je nach Geologie wird der Sprengvortrieb oder der bergmännische Vortrieb geplant und umgesetzt. Gemeinsam haben sie alle nach der Fertigstellung die wichtigste Funktion: Die Gewährleistung eines sicheren Fluchtwegs im Ereignisfall.
Richtiges Verhalten ist lebenswichtig
Massnahmen zur Tunnelsicherheit zielen primär darauf ab, Unfälle sowie deren Auswirkungen zu vermindern. Das ASTRA nimmt sich dabei der Aufgabe an, die Schweizerischen Nationalstrassentunnel hinsichtlich der Infrastruktur aufzurüsten resp. zu unterhalten. Weit wichtiger ist jedoch das Verhalten der Verkehrsteilnehmenden während der Fahrt durch einen Tunnel sowie im Ereignisfall.
Wer vor der Einfahrt in den Tunnel bereits Rauch feststellt, darf zur eigenen Sicherheit nicht in den Tunnel fahren. Wer bereits im Tunnel ist, sollte folgende Verhaltensmassnahmen befolgen:
- Verkehrslenkung beachten, bei Tunnelrot sofort anhalten
- Niemals wenden oder rückwärtsfahren
- Fahrzeug seitlich abstellen, Rettungsgasse bilden
- Vorfall der Polizei melden, via orange Notrufsäulen
- Fluchtweg via die grün markierten und grün beleuchteten Notausgangstüren wählen; neben der grünen Beleuchtung werden im Ereignisfall Blitzleuchten aktiviert
- Fahrzeug beim Verlassen nicht abschliessen und Fahrzeugschlüssel und Startsystem im Fahrzeug lassen
Auch der Ausbildung der Rettungsdienste und der Feuerwehren kommt eine sehr wichtige Bedeutung zu. Diese wurde in den letzten Jahren optimiert. Zusammen mit den baulichen Massnahmen soll damit ein möglichst sicherer Strassenverkehr gewährleistet werden.
Abschliessend haben alle diese Vorkehrungen vor allem eine Absicht und Hoffnung: dass sie nie zum Einsatz kommen.
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