Automatisiertes Fahren als Gamechanger
Wie wird die Mobilität im Jahr 2060 aussehen? Eine Studie des Bundesamts für Strassen (ASTRA) hat verschiedene Szenarien entworfen, in denen das automatisierte Fahren eine entscheidende Rolle spielen.
Das automatisierte Auto ist für manche der Traum auf vier Rädern. Es verspricht eine Fahrt mit höchstem Komfort, bei der man die Füße in seiner «privaten Blase» ausstrecken kann. Doch das selbstfahrende Auto ist nicht nur ein Luxus, sondern könnte für die Mobilität von morgen unverzichtbar sein. Dies geht aus der Studie «Verkehr der Zukunft 2060» hervor, die das Bundesamt für Straßen (ASTRA) im Jahr 2023 publiziert hat. Die Ergebnisse wurden unter anderem am 27. Welt-Strassenkongress vorgestellt, der zwischen dem 2. und 6. Oktober 2023 in Prag stattgefunden hat. Die Studienverfasser kamen zu drei plausiblen Szenarien, die sie als «Evolution ohne Disruption» «Revolution der individuellen Mobilitätsservices» und «Revolution der kollektiven Mobilitätsservices» bezeichnen. Das automatisierte Fahren spielt in allen drei Fällen eine zentrale Rolle. Wie es die Mobilität der Zukunft beeinflusst, verdeutlichen folgende Zahlen.
30 – 40 Prozent mehr Personenkilometer
Die Autoren der Studie rechnen damit, dass die Schweiz im Jahr 2060 weit über 10 Millionen Einwohner haben wird. Und zwar nicht nur aufgrund des Einflusses der Geburtenrate oder der Einwanderung, sondern auch aufgrund der steigenden Lebenserwartung: Im Jahr 2060 wird fast jeder Dritte (29 Prozent) über 65 Jahre alt sein. Mehr Menschen innerhalb unserer Grenzen bedeutet auch mehr Menschen auf den Straßen. Die Forscher erwarten einen Anstieg der Personenkilometer (Total des Personenverkehrs pro Jahr) zwischen 30 und 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015.
Von -10 bis +95 Prozent mehr Kilometer im Auto
Automatisiertes Fahren muss nicht zwangsläufig mit dem Auto einhergehen. Forscher gehen davon aus, dass automatisierte Fahrzeuge auch den öffentlichen Verkehr prägend verändern werden. Das ist die Zukunft, die das Szenario «Revolution der kollektiven Mobilitätsservices» vorsieht: Führerlose Shuttles, Busse und Züge werden bis zu 70 Prozent des Mobilitätsbedarfs abdecken. Das Auto würde an Dominanz verlieren (9 Prozent weniger zurückgelegte Kilometer gegenüber 2015).
Das Auto revanchiert sich jedoch im Szenario «Revolution der individuellen Mobilitätsservices», das Haushalte ohne eigene Autos vorhersagt. Familien würden das Netz fahrerloser Taxis nutzen, um sich fortzubewegen. Der hohe Komfort – man ist alleine in seinem Fahrzeug, ohne dieses steuern zu müssen – würde fast zu einer Verdoppelung (+95 Prozent) der von Autos zurückgelegten Kilometern im Vergleich zu 2015 führen.
Schliesslich haben die Forschenden ein Szenario für 2060 entworfen, in dem es weder in die eine noch in die andere Richtung zu grossen Veränderungen kommt. Das Szenario «Evolution ohne Disruption» skizziert eine Zukunft, in der Privathaushalte eigene Fahrzeuge besitzen. Gegenüber 2015 würden 37 Prozent mehr Personenkilometer zurückgelegt.
Bis zu 80 Prozent weniger Kosten
Automatisierte Fahrzeuge könnten ständig unterwegs sein und eine Fahrt nach der anderen zurücklegen. Diese Effizienz hätte eine Reduktion der Mobilitätskosten zur Folge. Die Studie schätzt, dass die Mobilität um bis zu 80 Prozent weniger kosten könnte als heute. Reisende, die kein eigenes Fahrzeug mehr besitzen, würden nur noch die tatsächlichen Kosten ihrer Fahrt bezahlen. Grössere Finanzposten (Versicherungen, Steuern usw.) für Autos, die heute die meiste Zeit über stillstehen, würden entfallen. Auch die Wettbewerbseffekte von Akteuren, welche die automatisierten Fahrzeuge betreiben, könnten zu vorteilhaften Effekten für die Fahrzeugnutzerinnen und -nutzer führen.
Damit diese Zukunftsvision aber Wirklichkeit werden kann, sind mehrere Herausforderungen zu meistern. Zum einen müsste man sich vom Modell des Autobesitzes abwenden und auf geteilte Autos umsteigen (shared mobility). Zum anderen hätte der Staat die Aufgabe, einen Rahmen zu gewährleisten, der die Entstehung von Monopolen der Mobilitätsanbieter verhindert. Weiter müssten technische Standards und Gesetze ausgearbeitet werden, die den Weg für das selbstfahrende Fahrzeug (Automatisierungsgrad Level 5) ebnen. Dazu gehört auch die Klärung der Frage der Haftung bei Unfällen und die Lösung ethischer Probleme im Falle eines unvermeidlichen Zusammenstosses. Wie die Studie zeigt: Das automatisierte Fahren ist keine Selbstverständlichkeit. Wir stehen heute vor grossen und spannenden Herausforderungen.
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