Der Gotthard: unvermeidlicher und mythischer Alpenübergang

Die mehrtägige Schliessung des Strassentunnels im letzten September und die Sperrung des Eisenbahnbasistunnels nach einer Entgleisung haben uns die zentrale Bedeutung der Gotthardachse für die Schweiz und Europa einmal mehr in Erinnerung gerufen. Aber wie überquerten unsere Vorfahren – lange vor dem Bau der Tunnel – den berühmten Pass im Winter?

Seidenstrasse, Gewürzroute oder Salzstrassen: Schon seit jeher spielen die Verkehrswege eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung. Der Gotthard ist eine dieser legendären Strecken. Er war nicht nur prägend für das Gedeihen unseres Landes, sondern trug massgeblich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Innerschweiz sowie der Region um Basel, des Tessins und sogar der Gebiete längs des Rheins und Mailands bei. Seine Bedeutung ist tief im Schweizer Kollektivgedächtnis eingegraben. Hingegen war es früher bei Weitem nicht so einfach wie heute, ihn zu überwinden.

Im 12. Jahrhundert teilten sich Säumergenossenschaften das Transportmonopol auf dem Passweg – ein sehr lukratives Geschäft. Von Amsteg nach Giornico dauerte die Reise drei Tage. In der kalten Jahreszeit galt die Landschaft oben am Pass als gefährlich und schreckenerregend. Lawinen forderten zahlreiche Opfer. Im tiefsten Winter konnte der Pass nicht überquert werden.

Die Wahrnehmung der Berge wandelte sich jedoch im 18. Jahrhundert. Als Vorläufer der Romantik liessen sich Schriftsteller und Künstler nun vom Zauber der Alpen berauschen. Auch der Gotthard wurde von dieser Bewegung erfasst. Dichter wie Rousseau und Goethe priesen seine Schönheit und J.M.W. Turner malte ihn. Gleichzeitig erleichterte die Postkutsche die Fahrt über den Pass. Das Hospiz empfing die Reisenden sogar in den Wintermonaten.

Postschlitten

Das Monopol der Säumergenossenschaften endete mit dem Bau der ersten Fahrstrasse im 19. Jahrhundert. Der Kanton Tessin und der Stand Uri schlossen 1826 mit Luzern, Basel und Solothurn ein Konkordat, in dem sich die Kantone verpflichteten, auf ihrem Territorium die noch bestehenden Lücken zwischen Basel und Chiasso zu schliessen. Zwischen 1827 und 1830 wurde auf der Tessiner Seite das Strassenstück durch die Tremola und in Uri die Abschnitte von Hospental auf die Passhöhe und durch die Schöllenen fertiggestellt. Ab 1842 verkehrte zwischen Chiasso und Flüelen täglich eine Postkutsche in beiden Richtungen. In den Wintermonaten fuhren Postschlitten über den Pass. Um das Jahr 1870 wurden schätzungsweise 70 000 Reisende und 10 000 bis 20 000 Tonnen Güter pro Jahr auf der Passstrasse befördert.

Mit der Eröffnung des Bahntunnels 1882 verlor der Verkehr über die Passstrasse jedoch zunehmend an Bedeutung. Benötigte eine Kutsche für die Strecke zwei ganze Tage, so betrug die Reisezeit mit der Eisenbahn jetzt nur noch fünf Stunden. 1980 wurde der Strassentunnel eingeweiht. Heute dauert die Reise von Amsteg nach Giornico weniger als eine Stunde. Der alte Weg über den Pass ist im Bundesinventar der historischen Verkehrswege verzeichnet, das vom ASTRA geführt wird.

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