Schutz der historischen Verkehrswege: eine Aufgabe von nationaler Bedeutung
Das ASTRA kümmert sich nicht nur um Autobahnen. Es sorgt auch für die Erhaltung und den Schutz historischer Verkehrswege. Seit Kurzem sind Erika Flückiger und Ulrike Marx für diese Aufgabe verantwortlich. Nun gewähren sie Einblicke in ihre Arbeit.
Wieso ist das Schützen und Instandsetzen alter Wege eine Aufgabe von nationaler Bedeutung?
Erika Flückiger (EF): Es geht dabei um die Bewahrung unseres Kulturerbes, wie das für Kirchen oder Schlösser gilt. Für mich sind historische Wege sogar noch interessanter als die repräsentativen Hochbauten, weil sie viel mehr über die Geschichte des Alltags der Menschen erzählen.
Ulrike Marx (UM): Unsere Arbeit hat auch viel mit der Gegenwart zu tun. Der Langsamverkehr erlebt derzeit einen starken Aufschwung und Wandern ist laut dem Bundesamt für Sport (BASPO) nach wie vor die beliebteste Sportaktivität in der Schweiz. Historische Verkehrswege zu erhalten bedeutet auch, Nutzerinnen und Nutzern naturnahe Wege bereitzustellen, auf denen sie interessanten Zeugen der Vergangenheit begegnen können.
Wie wird man zur Fachspezialistin für historische Verkehrswege?
UM: Nach meinem Abschluss in Forstwissenschaften an der Universität Göttingen bildete ich mich in Eberswalde nahe Berlin in Nachaltigem Tourismusmanagement weiter. Meine Leidenschaft für historische Wege wurde durch meine erste Berufserfahrung in Irland entfacht. Dort kam ich damit in Berührung, alte Wege erlebbar zu machen und ihnen neues Leben einzuhauchen, wie dem «Brandy Pad», einer alten Whiskeyschmuggelroute. Das Wissen um solche alten Wege war dort oft nur mündlich überliefert worden. Im Gegensatz dazu gibt es hierzulande ein gesamtes Inventar, Dokumentationen, gesetzliche Grundlagen und Fachleute, was mich sehr beeindruckt hat. So arbeitete ich zunächst bei der heutigen Stiftung ViaStoria, danach bei den Schweizer Wanderwegen, bevor ich im Juni letzten Jahres zum ASTRA kam.
EF: Ich schloss mein Studium in Geschichte und Geografie an der Universität Bern mit einer Dissertation zur Geschichte der Schweiz im 18. Jahrhundert ab. Danach unterrichtete ich an einem Gymnasium das Fach Geschichte, weil ich es als wichtig erachte, dass jede und jeder ein Geschichtsbewusstsein entwickelt. Bei der SBB kümmerte ich mich anschliessend um die Inventarisierung historischer Bahnbauten. Was mich an meiner neuen Aufgabe fasziniert, ist die Erkenntnis, dass Menschen vor sehr langer Zeit mit einfachen Hilfsmitteln Wege von solch guter Qualität gebaut haben, dass sie bis heute bestehen blieben.
Was meinst du mit «vor sehr langer Zeit»?
EF: Eines unserer kürzlich abgeschlossenen Projekte dreht sich um die Instandsetzung einer Treppenanlage, die im 16. Jahrhundert über einen Pass zwischen dem Averstal und dem Bergell (GR) für das Vieh gebaut wurde. Über diese Anlage konnte man die Tiere von einer Alp zu einer anderen treiben. Noch heute ist sichtbar, mit welcher Sorgfalt und mit welch grossem handwerklichem Geschick dieser Weg erschaffen wurde.
Wie kann man erfahren, wo sich historische Verkehrswege befinden?
EF: Über das Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, das von der Universität Bern erstellt und 2010 vom ASTRA auf dem Geoportal des Bundes veröffentlicht wurde. Im Bundesinventar, für welches das ASTRA heute verantwortlich ist, sind historische Verkehrswege von nationaler Bedeutung mit einer Gesamtlänge von 3720 Kilometern dokumentiert. Zum Inventar zählen auch knapp 20’000 Kilometer historische Verkehrswege von regionaler oder lokaler Bedeutung, für welche die Kantone zuständig sind. Ich koordiniere als Projektleiterin die Nachführung des IVS-Bundesinventars, das bis 2035 vollständig überarbeitet werden muss.
UM: Als Verantwortliche für Finanzhilfen und Fachstellungnahmen bringe ich auch die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure untereinander in Verbindung. Historische Verkehrswege instandzusetzen ist eine Arbeit, die sehr spezifisches Fachwissen erfordert und auch das muss bewahrt werden. Die Wissensvermittlung ist somit auch Teil unserer Arbeit. Altüberlieferte Bautechniken werden heute zunehmend wieder entdeckt, bspw. Entwässerungstechniken, die auch beim Wanderweg- oder Trailbau eingesetzt werden.
Eine Aufgabe von grosser Tragweite…
UM: Durchaus. Mein Vorgänger Hans-Peter Kistler begleitete während mehr als zwanzig Jahren über 500 Instandstellungsprojekte. Im Schnitt arbeiten wir an 80 laufenden Projekten im Jahr.
Erfahren Sie mehr über die Arbeit von Erika und Ulrike: www.ivs.admin.ch
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