«Im Herbst sind die Bedingungen anders als im Sommer – es wird anspruchsvoller auf den Strassen»
Die Verkehrssicherheit in der Schweiz ist auf einem hohen Niveau – dennoch birgt der Herbst besondere Risiken: nasse Strassen, frühe Dämmerung und veränderte Lichtverhältnisse. Im Interview erklärt Thomas Spillmann, Bereichsleiter Stab Verkehr und Verantwortlicher für Verkehrssicherheit beim ASTRA, die Herausforderungen dieser Jahreszeit.
Lieber Thomas, weshalb ist gerade der Herbst eine besonders herausfordernde Jahreszeit für die Sicherheit im Strassenverkehr?
Velofahrende, Motorradfahrende sowie Fussgängerinnen und Fussgänger sind auch im Herbst noch viel unterwegs – solange es warm bleibt. Vielen ist dabei nicht bewusst, dass sich Licht- und Wetterverhältnisse deutlich verändern: Es wird schneller dunkel, abends feuchter und die tiefstehende Sonne blendet. Dazu kommt: Das Wetter kann rasch umschlagen. Die meisten Unfälle passieren am Abend zwischen 17 und 18 Uhr – zu einer Zeit mit viel Verkehr und erschwerten Bedingungen. Kurz gesagt: Der Herbst verlangt mehr Aufmerksamkeit von allen.
Welche Zahlen zeigen, dass hier besonderer Handlungsbedarf besteht?
Zu Jahresbeginn sind die Unfälle mit Velos und Motorrädern noch tief, steigen aber ab Mai deutlich an – und bleiben bis in den Oktober auf hohem Niveau. Im Herbst ist das Risiko tendenziell höher als im Frühling. Die meisten Unfälle ereignen sich aber im Juli und August, was auf die hohe Verkehrsdichte im Sommer zurückzuführen ist.
Wer ist im Herbst besonders gefährdet?
Vor allem Velofahrende, Motorradfahrende und Fussgängerinnen und Fussgänger. Sobald es dunkel wird, ist es wichtig, dass sie gut sichtbar sind. Velofahrende sind mit ihrer schmalen Silhouette schwer zu erkennen. Deshalb braucht es gegenseitige Rücksichtnahme – insbesondere von Autofahrenden gegenüber den verletzlicheren Verkehrsteilnehmenden.

Thomas Spillmann ist seit 2022 als Verantwortlicher für Verkehrssicherheit beim ASTRA tätig.
Welche Rolle spielt die Sensibilisierung im Vergleich zu Infrastruktur oder gesetzlichen Massnahmen?
Am wirksamsten ist das Zusammenspiel aller Massnahmen. Sensibilisierung wirkt oft kurzfristig, langfristig braucht es Prävention, Kontrollen, klare Regeln und eine sichere Infrastruktur. Eine fehlerverzeihende Infrastruktur hilft, Unfälle zu verhindern und die Folgen zu mildern. Die Schweiz ist hier gut unterwegs – aber noch nicht am Ziel.
Wie wichtig ist es, dass jede und jeder Verantwortung im Strassenverkehr übernimmt?
Sehr wichtig. Viele Unfälle passieren wegen Ablenkung oder Unaufmerksamkeit. Wer aufmerksam ist und Rücksicht nimmt, trägt entscheidend zur Sicherheit bei. Jede und jeder kann mithelfen, Unfälle zu vermeiden.
Wie wird die Sensibilisierung in die Verkehrssicherheitsstrategie des ASTRA integriert?
In den meisten Fällen ist menschliches Verhalten die Hauptursache für Unfälle. Deshalb setzt das ASTRA auf Sensibilisierung, Information und Prävention. Ziel ist, die Menschen immer wieder daran zu erinnern, wie man sich sicher im Strassenverkehr bewegt – und dass wir alle davon profitieren.
Wenn du einen Wunsch für die Verkehrssicherheit der Zukunft hättest – welcher wäre das?
Dass vermeidbare Unfälle gar nicht erst passieren. Viele Unfälle entstehen durch Ablenkung oder Alkoholkonsum. Ganz ohne Unfälle wird es wohl nie gehen, aber mit verantwortungsbewusstem Verhalten, Prävention und einer sicheren Infrastruktur lässt sich viel erreichen.
Thomas Spillmann schloss 2007 sein Masterstudium in Geografie an der Universität Zürich ab. Er verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Verkehrsplanung und Verkehrssicherheit. Mehrere Jahre war er für die Stadt Zürich tätig, später für den Kanton Bern. Seit 2022 ist er als Verantwortlicher für Verkehrssicherheit beim ASTRA tätig. Zudem ist er Bereichsleiter Stab in der Abteilung Strassenverkehr und Präsident der Arbeitsgruppe MFZ Mensch und Fahrzeug.








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