Retour sur les origines de l’archéologie des routes nationales

Archäologische Baggersondierungen und Flächengrabungen auf dem Trassee der N05 bei Boudry (NE), 1997. (Foto OPAN, office du patrimoine et de l’archéologie de Neuchâtel, )

Wer hätte das gedacht? Der Bau der Nationalstrassen, 1960 als gewaltiges Zukunftsprojekt für die Schweiz lanciert, schuf ganz beiläufig und unerwartet gleichsam eine Datenautobahn in die Vergangenheit unseres Landes.

Die Realisierung des grössten Infrastrukturprojekts nach dem 2.Weltkrieg hat in einem noch nie dagewesenen Ausmass zur Entdeckung unbekannter Fundstellen und zur Vervielfachung der Kenntnis unserer Vorgeschichte beigetragen.

Aber 1959 konnte sich das noch niemand wirklich vorstellen. Auch die fünf Professoren der Archäologie nicht, als sie beim frischgewählten Bundesrat Tschudi vorstellig wurden. Den Landhunger des künftigen Strassennetzes und die Zerstörung unzähliger Fundstellen vor Augen, unterbreiteten sie Tschudi ihre Vorschläge; die Finanzierung der Ausgrabungen sollte sichergestellt und eine Zentralstelle zur Koordination der Interventionen, sowie eine stehende Grabungsequipe geschaffen werden. Vermessen? Keineswegs. Zu diesem Zeitpunkt verfügten nämlich nur gerade mal vier Kantone über eine archäologische Fachstelle. Deren operativen Kapazitäten waren indessen bescheiden. Archäologische Grabungen wurden bis dahin meistens von ad hoc zusammengestellten Equipen unter der Leitung historischer Vereine oder Museen durchgeführt.

Die Notwendigkeit einer Archäologischen Zentralstelle für den Nationalstrassenbau (AZN) sah Tschudi für gegeben und er beauftragte am 1. Februar 1960 die Schweizerische Gesellschaft für Urgeschichte, aus deren Reihen besagte Professoren stammten, mit der Schaffung einer solchen. Schon fünf Monate später nahm die AZN die Arbeit als Ein-Mann-Betrieb auf. Sie hatte sogleich in den römischen Ruinenfeldern von Lousonna und Augusta Raurica alle Hände voll zu tun, da die künftigen Trassen der N01 bzw. der N02 diese durchschneiden sollten.

Ende 1960 brachte Tschudi den Antrag zur Finanzierung von Ausgrabungen vor den Gesamtbundesrat. Der daraufhin verfasste Mitbericht des EJPD sah jedoch keinen Handlungsbedarf für den Bund; es bestehe dafür keine Gesetzesgrundlage und sei Sache der Kantone, und liege in ihrer Kulturhoheit. Tatsächlich sollte das Natur- und Heimatschutzgesetz erst sechs Jahre später verabschiedet werden. Tschudi aber hielt dagegen: er bezeichnet die Archäologie als von allgemeinem Interesse. Für die Kantone sei der finanzielle Aufwand, die Priorisierung und die Interventionsfristen allfälliger Ausgrabungen unzumutbar und würden unweigerlich zur Verzögerung des Bauvorhabens führen. Der Gesamtbundesrat folgte Tschudis Argumentation und beschliesst am 31. März 1961: « Die Kosten der Ausgrabung (…) historischer Funde im Trasse künftiger Nationalstrassen sind Erstellungskosten der Nationalstrasse». Still und kaum bemerkt ist damit der Startschuss zum grössten nationalen Archäologie-Projekt ever gefallen! Aber eben, das konnte ja noch niemand ahnen.

Im Zuge des anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs entstanden in den Kantonen parallel zum Ausbau der Infrastrukturen und Behörden nach und nach auch operative archäologische Fachstellen. Die Rolle der AZN wurde zusehends subsidiär. Die Kantonsarchäologen der Autobahnkantone nahmen Einsitz in die Aufsichtskommission der AZN. Und diese war fortan der Ansprechpartner des Amts für Strassen- und Flussbau, des späteren ASTRA. Die grossflächigen Grabungen führten zu herausragenden Entdeckungen von späteiszeitlichen Lagerplätzen von Wildpferdejägern, megalithischen Steinreihen, neolithischen und bronzezeitlichen Pfahlbauten, Landsiedlungen der Eisenzeit, römischen Villen, Städten, Heiligtümern und Nekropolen, und über frühmittelalterliche Gräberfelder bis hin zu Glashütten der Neuzeit. Methoden und Fragestellungen wurden weiterentwickelt, die Archäologie stetig professionalisiert und institutionalisiert.

Archäologische Baggersondierungen auf einem künftigen Installationsplatz der N01 bei Kestenholz (SO), 2020. (Foto B.Kissling)

Im Zuge der NFA und angesichts der sowohl im Felde wie auch im Budget, zusehends bedeutender werdenden archäologischen und paläontologischen Untersuchungen, sah sich das ASTRA veranlasst, hier eine aktivere Rolle zu übernehmen. 2011 hat es deshalb die Ein-Mann-Fachstelle Archäologie/Paläontologie geschaffen und 2012 die Verfahren bei Bodenfunden im Nationalstrassenbau, die bis anhin einzig auf dem lapidaren Bundesbeschluss von 1961 beruhten, auf solide Rechtsgrundlagen gestellt und mittels Weisungen detailliert geregelt. In enger Zusammenarbeit mit den kantonalen Fachstellen wird damit für den konsequenten Einbezug einer präventiven Archäologie in die Projektierung der Nationalstrassen gesorgt. Durch frühzeitig angesetzte Prospektionen (Sondierungen, Oberflächenbegehungen, geophysikalische Messungen, Karten-, Luftaufnahmen-, und LIDAR-Auswertungen) werden allfällig vorhandene Fundstellen im Trasse geortet und, falls sie nicht geschützt werden können, mit ausreichend zeitlichem Vorlauf ausgegraben, um so eine verzugslose Bauausführung zu gewährleisten.


Mehr zu diesem Thema können Sie weiterhin an dieser Stelle erfahren – und einmalig auch live an folgender Veranstaltung des Zürcher Zirkels für Ur- und Frühgeschichte:
11.12.2023 – 18:30 Uhr
Referat « Auf der Überholspur in die Vergangenheit – Zum Impakt des Nationalstrassenbaus auf die archäologische und paläontologische Forschung in der Schweiz »
Alexander von Burg, Bern
Hörsaal KO2-F-150, Universität Zürich Zentrum, Karl-Schmid-Strasse 4, 8006 Zürich

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